Weggefährten aller politischer Couleur, Sozialdemokraten aus Bund, Land und Kommunen, Arbeiterwohlfahrt und SPD-Ortsverein sowie nicht zuletzt ihre eigene Familie machten Anni Seiler ihre Aufwartung bei der Verleihung der Willy-Brandt-Medaille. Für die 90-Jährige eine Auszeichnung, die sie sichtbar gerührt entgegennahm.
Den feierlichen Rahmen im historischen Klosterchor nutzte Bad Windsheims Bürgermeister Jürgen Heckel, um das bis heute andauernde Engagement von Anni Seiler hervorzugeben. „Arbeiten und Mitdenken für andere“ habe das politische und gesellschaftliche Leben der Jubilarin bestimmt. Ihr Einsatz für die Schwächeren in unserer Gesellschaft und den im Leben nicht mit allen Segnungen bedachten Menschen sei von „Güte und Barmherzigkeit“ geprägt gewesen, so der Bürgermeister. In seiner Laudation erinnerte SPD-Bundestagsabgeordneter Carsten Träger daran, dass in Zeiten, als Anni Seiler in den Kreistag und Stadtrat gewählt wurde, dies keineswegs selbstverständlich für eine Frau war. Bei ihrem Einzug in den Stadtrat 1984 war Anni Seiler die erste sozialdemokratische Frau im Gremium und insgesamt erst die zweite Frau, die dem Stadtrat angehörte. „Du bist eine Pionierin, die dazu beigetragen hat, gesellschaftliche Verkrustungen aufzubrechen“, konstatierte Träger. Heute sei es kaum mehr vorstellbar, welche Widerstände Frauen überwinden mussten, um in der Politik (und nicht nur dort) ernst genommen zu werden. Bemerkenswert sei zudem ihr Talent gewesen, über Parteigrenzen hinweg zu wirken. Der beeindruckende Reigen von früheren Stadträten, Ortssprechern oder Kreisräten, der sich zu der Ehrung eingefunden hatte, sei ein beeindruckender Beleg dafür. Carsten Träger machte aber auch deutlich, dass heute die Eigenschaften, die Anni Seiler auszeichnen, mehr denn je gefragt seien. „Zusammenhalt und die Bereitschaft, sich für die Allgemeinheit einzusetzen“, so Träger, sind mehr wichtiger, als nur laut zu schreien, wie es derzeit aus der rechtsextremen und rechtpopulistischen Ecke schallt. „Diese Töne bekommen leider momentan mehr Aufmerksamkeit als jene Menschen, die nach Lösungen suchen und Mitmenschlichkeit vorleben“, so Träger. SPD-Ortsvereinsvorsitzender Matthias Oberth erinnerte im Schnelldurchlauf an eine Reihe von Meilensteinen, die dazu beitrugen, dass Anni Seiler in Bad Windsheim nach wir vor präsent ist. Dazu gehört eben auch, dass sie sich weiterhin gerne mal beim Bürgermeister oder ihrer SPD vehement zu Wort meldet, wenn ihr ein Thema auf dem Herzen brennt. Dazu kommt der Stammtisch der Alt-Stadträte, den sie organisiert und dort das „wahrscheinlich größte politische Netzwerk des gesamten Landkreises zusammenkommt“, wie Oberth süffisant anmerkte. Eine Sache gilt es an dieser Stelle noch zurechtzurücken. In der Berichterstattung zum 90. Geburtstag von Anni Seiler war zu lesen, dass sie gerne noch nach Amerika reisen würde. Diese Reise hat allerdings schon vor vielen Jahren stattgefunden. „Heute bin ich auf Unterstützung angewiesen und könnte eine solche Reise gar nicht mehr bewältigen“, sagt Anni Seiler, die wegen ihrer eingeschränkten Mobilität immer häufiger auf den elektrischen Rollstuhl angewiesen ist. Dekoriert mit der Willy-Brandt-Medaille, der höchsten Auszeichnung, die die SPD einem Mitglied verleihen kann, führte Anni Seiler anschließend noch viele Gespräche mit den Gratulanten, bei denen es – wie sollte es anders sein – um die Politik im Großen und im Kleinen ging.