100 Jahre SPD: Kritische Bilanz mit rotem Faden

Mit dieser Anzeige wirbt die SPD Anfang 1919 für eine Versammlung

17. November 2018

Ulrich Herz stellt beim Festabend am 23. November Chronik des Ortsvereins Bad Windsheim vor

Viel hätte nicht gefehlt, und Bad Windsheims Sozialdemokraten hätten sich selbst nachträglich zum 100. Geburtstag gratuliert.

Dem Historiker Ulrich Herz haben es die Genossen letztlich zu verdanken, dass ihnen diese kleine Peinlichkeit erspart bleibt, und so feiern sie ihr Jubiläum noch in diesem Jahr, wie es sich gehört. Im Mittelpunkt des Festabends, der am Freitag, 23. November, ab 19 Uhr in der Zunfthalle des Spielmannszugs der Wagnertanzgilde in der Seegasse über die Bühne geht, steht dann wiederum Gymnasiallehrer Herz, der in seinem Referat wesentliche Erkenntnisse seiner neunmonatigen Recherche zu Geschichte und Gegenwart der Bad Windsheimer SPD zusammenfassen wird.

"Frühzeitig", wie SPD-Stadtratsfraktionsvorsitzender Matthias Oberth bei der Präsentation der Chronik sagte, wollten er sowie Ortsvereinsvorsitzender Siegfried Göttfert und Ronald Reichenberg, Stadt- und Kreisrat sowie damals noch Mitglied des Bezirkstags, sich des Themas 100 Jahre SPD annehmen. Sie kontaktierten Bad Windsheims führenden Lokalhistoriker Ulrich Herz, welcher Interesse und Bereitschaft bekundete, sich der Sache anzunehmen. Herz startete seine Nachforschungen und hatte für die Genossen alsbald eine überraschende Nachricht, wie Oberth sich erinnert: "Ihr werdet in diesem Jahr hundert". Als Beleg für diese These diente Herz ein Inserat in der Windsheimer Zeitung vom 2. Januar 1919, in dem die "Ortsgruppe Windsheim" für den 4. Januar zu einer öffentlichen Wählerversammlung mit Fritz Endres aus Fürth als Sprecher der "gemäßigten sozialdemokratischen Partei" in die "Goldene Gans" einlädt. Ein genaues Gründungsdatum gibt es nicht, doch war die Ortsgruppe der SPD ganz offensichtlich bereits 2018 ins Leben gerufen worden.

"Was heißt SPD Bad Windsheim?" – Diese Frage habe er sich zu Beginn seiner Arbeit gestellt, sagt Herz. In jedem Fall sei es "mehr als der Stadtrat", sagt er, "es ist der Ortsverein und es sind im weitesten Sinn die Wähler, die Sozialdemokraten". Entsprechend habe er versucht, das Projekt "ganzheitlich anzugehen" und auch Entwicklungen in Windsheim und darüber hinaus im Blick zu behalten.

Den Umschlag der 140-seitigen Chronik, welche erstmals beim Festabend gegen eine Schutzgebühr von zehn Euro unters Volk gebracht wird, ziert ein rotes Wollknäuel. Dieses steht "für den roten Faden, der da ausgerollt wird" (Herz). Genau genommen sind es vier Fäden, hat Herz doch bei der Aufarbeitung der Historie der Windsheimer SPD vier Schwerpunktthemen gesetzt. Das erste betrifft die Frauen, die SPD war "die Partei, die das Frauenwahlrecht maßgeblich durchgeboxt hat". Bei der Frage, wie die Männer in der Partei, aber auch die Wählerinnen und Wähler, mit den Genossinnen vor Ort umgegangen sind, kommt die Bad Windsheimer SPD keineswegs nur gut weg. Freund und Feind

Der zweite Faden, den Herz ausrollt, begleitet die SPD als "die Partei, die immer eingestanden ist für Demokratie". So beschreibt er unter anderem, wie die SPD vor Ort während und nach der Zeit der Herrschaft der Nationalsozialisten mit Extremisten und deren Gedankengut umgegangen ist. Nicht weit davon entfernt verläuft Faden drei, in dem Herz der Frage nachgeht, wie mit der SPD im konservativ und national geprägten Klima in Windsheim umgegangen wurde. Hier sei es ihm um die "Freund-Feind-Thematik" und das "Mit- beziehungsweise Gegeneinander der anderen" gegangen, sagt Herz.

Vierter Themenschwerpunkt ist die "SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit". Beginnend mit der Vertretung der Arbeiterschaft über die Weitung zur Volkspartei in den 1950er- und 1960er-Jahren bis in die heutigen Tage zeichnet Ulrich Herz die Entwicklung der Partei nach. In zwölf Kapitel hat Ulrich Herz seine Arbeit gegliedert: Von den "Rahmenbedingungen" bis zur Frage "Quo vadis, SPD?" Verheißungsvollen Titeln wie "Auf bisher unerreichten Höhen" folgen prompt weniger freundliche wie "Abstieg", unter den die Zeit nach 1996 beschrieben ist.

Ohnehin wird bei der Lektüre der Chronik immer wieder aufs Neue deutlich, was gegenüber Eingeweihten müßig zu erwähnen ist: dass Ulrich Herz weder Schönfärber noch Partei-Sprachrohr ist, sondern ein schwergewichtiger, ernsthafter Historiker, der gleichwohl mit leichter Feder zu schreiben weiß. "Es hat mir keiner reingepfuscht", sagt er im Rückblick auf die Zusammenarbeit mit den SPD-Verantwortlichen. Dass er dies trotz allen gleichfalls zu verspürenden Wohlwollens gegenüber der Partei und den Protagonisten auch gar nicht zugelassen hätte, schiebt er der Vollständigkeit halber hinterher. Seine Zielsetzung sei von Beginn an klar gewesen, sagt Herz: "Ich will eine kritische Bilanz vorlegen, mit allen Höhen und Tiefen." Das ist ihm gelungen.

ZDer Festabend 100 Jahre SPD Bad Windsheim findet am Freitag, 23. November, ab 19 Uhr in der Z

unfthalle des Spielmanns- und Fanfarenzugs statt. Im Mittelpunkt steht das Referat von Ulrich Herz. Kurze Grußworte sind zu erwarten von Bürgermeister Bernhard Kisch, SPD-Bezirksvorsitzendem Carsten Träger, Kreisvorsitzendem Markus Simon und Ortsvereinsvorsitzendem Siegfried Göttfert. Für die musikalische Begleitung des Abends sorgt ein dreiköpfiges Ensemble um Dr. Wolfgang Stadler.

GÜNTER BLANK, Windsheimer Zeitung

Teilen